Woher wissen wir, dass die Evangelien tatsächlich von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes geschrieben wurden? Warum sagen viele Bibelwissenschaftler, dass sie anonym sind?

Die Frage, ob die Evangelien tatsächlich von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes stammen, ist für die Kirche keine offene Hypothese, sondern Teil der überlieferten Wahrheit. Thomas von Aquin hat dies nie in Zweifel gezogen, sondern immer fest darauf verwiesen, dass die Evangelien von diesen vier Männern stammen, so wie es die Kirche von Anfang an bezeugt hat.

1. Überlieferung der Kirche

Schon die frühesten Kirchenväter – Papias, Irenäus, Hieronymus, Augustinus – bezeugen klar:

  • Matthäus, der Apostel, schrieb sein Evangelium für die Juden.

  • Markus, Schüler des Petrus, schrieb sein Evangelium auf Grundlage der Verkündigung des Petrus.

  • Lukas, Gefährte des Paulus, verfasste sein Evangelium und die Apostelgeschichte.

  • Johannes, der Apostel und Lieblingsjünger, schrieb das geistige Evangelium zuletzt.

Diese Zeugnisse stammen aus einer Zeit, die den Aposteln zeitlich sehr nahe steht, und sie wurden von der gesamten Kirche angenommen, ohne dass es je ernsthafte Gegenstimmen gab.

2. Diktat oder eigenhändige Schrift?

In der Antike war es üblich, dass wichtige Persönlichkeiten ihre Schriften diktieren ließen. Paulus selbst hat Briefe teilweise durch einen Schreiber niederschreiben lassen (vgl. Röm 16,22). Ob die Evangelisten selbst die Feder führten oder einen Schreiber beauftragten, ändert nichts an der Autorschaft: Der Evangelist ist der Autor, weil das Zeugnis von ihm stammt.

3. Zur Frage des Analphabetismus

Manche Apostel mögen einfache Fischer gewesen sein, doch das bedeutet nicht zwingend, dass sie nicht lesen oder schreiben konnten. Das Neue Testament selbst zeigt, dass sie in der Lage waren, die Schrift auszulegen und öffentlich zu lehren (vgl. Apg 2). Und selbst wenn ein Evangelist einen Schreiber brauchte, bleibt er der geistige Autor des Werkes.

4. Zum Evangelium nach Johannes

Moderne Stimmen behaupten oft, Johannes habe sein Evangelium nicht selbst geschrieben. Doch die kirchliche Überlieferung kennt keine alternative Autorschaft. Immer war es Johannes, der Apostel, der als Autor galt. Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt dies ausdrücklich (Dei Verbum 19):

„Die heilige Mutter Kirche hat fest und mit allergrößtem Eifer und in Treue geglaubt und glaubt bis heute, dass die vier genannten Evangelien deren Verfassern, die die Tradition nennt, ihren Ursprung verdanken.“

Dass der Stil des Johannesevangeliums anders ist, erklärt sich aus der besonderen Tiefe und dem hohen Alter des Apostels beim Verfassen.

5. Aquins Sichtweise

Thomas von Aquin sah keine Notwendigkeit, diese Frage zu diskutieren. Für ihn war selbstverständlich, dass die Evangelien die apostolische Autorität tragen. Er zitiert die Kirchenväter, ordnet die Evangelien nach Zielgruppen und sieht in ihnen die vier Lebewesen aus der Vision des Ezechiel (vgl. Matthäus-Kommentar, Proömium).

6. Zusammenfassung

Die moderne Rede von „anonymen Evangelien“ beruht vor allem darauf, dass die ältesten Handschriften keine Namenszeilen enthalten. Doch das bedeutet nicht, dass die Evangelien „ohne bekannten Autor“ waren, sondern dass die Namen mündlich bekannt und allgemein anerkannt waren. Titel wurden erst notwendig, als die vier Evangelien zusammen in einem Kodex standen.

Darum gilt:

  • Die Kirche glaubt und lehrt bis heute fest die Autorschaft der vier Evangelisten.

  • Thomas von Aquin steht in dieser Tradition und hätte nie eine Relativierung akzeptiert.

  • Selbst wenn Schreiber beteiligt waren, bleibt die Autorschaft den Evangelisten zugeordnet.