Fallbeschreibung
Verlust der „romantischen Liebe“
Ein Mann berichtet, dass er sich nach fast zwei Jahrzehnten Ehe von seiner Frau getrennt hat. Äußerlich gab es keine Probleme: keine Kinder, keine finanziellen Sorgen, keine Untreue, kaum Streit. Die Ehefrau war zugleich seine beste Freundin, und viele schöne Erfahrungen des Lebens hatte er mit ihr geteilt.
Doch er stellte fest, dass die romantische Liebe verschwunden war. Das Gespräch über die Trennung beschreibt er als den schwersten Moment seines Lebens. Seine Frau reagierte mit Verzweiflung und suchte die Schuld bei sich.
Der Mann selbst erlebte tiefe Trauer darüber, den wichtigsten Menschen in seinem Leben verletzt zu haben. Er wollte jedoch auch anderen, die eine ähnliche Situation durchmachen, Mut zusprechen: Man ist mit diesem Schmerz nicht allein, und auch die Trauer desjenigen, der sich trennt, ist echt und nicht weniger wert.
Meine Antwort
Über die wahre Liebe
Romantische Liebe hat mit echter Liebe nur am Rande zu tun. Wahre Liebe gründet nicht in subjektiven Empfindungen, nicht in Gefühlen, nicht in Intimität, nicht in Vorteilen oder Nutzen. Liebe bedeutet, den anderen um seiner selbst willen gut zu wollen – unabhängig davon, ob er mir Nutzen bringt, Gefühle weckt, Intimität schenkt oder mich besser fühlen lässt.
Wer nur die Liebe sucht, die „mir guttut“, sucht eine Form von Liebe, die vergänglich ist und im Bereich der Welt bleibt. Solche Liebe brennt hell, aber erlischt, sobald das eigene Feuer nicht mehr genährt wird.
Viele sagen dann: „Ich spüre nichts mehr. Ich fühle nichts mehr. Ich habe keinen Nutzen mehr.“ Doch damit verwechseln sie Liebe mit Befriedigung. Wahre Liebe zeigt sich gerade darin, dass sie den anderen auch dann bejaht, wenn Gefühle schwinden oder keine Vorteile bleiben. Sie ist eine Entscheidung des Willens, nicht ein Wechselspiel der Empfindungen.
Wenn man Liebe auf Nutzen und Gefühle reduziert, bleibt am Ende nur: „Wenn es mir nichts bringt, warum soll ich bleiben? Wenn ich nichts mehr spüre, kann ich auch nichts mehr geben.“ Man redet sich ein, der andere wäre dann unglücklich. In Wahrheit aber liegt das Glück nicht in wechselnden Gefühlen, sondern in der Treue, die den anderen in seiner Würde anerkennt und ihm Gutes will – unabhängig vom eigenen Vorteil.