„Jesus hat geweint (Joh 11,35; Lk 19,41). Gott aber ist erhaben über menschliche Gefühle und kann nicht von Leid oder Trauer bewegt werden. Also war Jesus nicht Gott.“
Das Weinen Jesu ist kein Gegenargument gegen seine Gottheit, sondern eine Offenbarung derselben. Der ewige Sohn hat in der Inkarnation eine vollkommene menschliche Natur angenommen, mit allen echten menschlichen Regungen und Gefühlen. Darum weint er am Grab des Lazarus (Joh 11,35) und über Jerusalem (Lk 19,41). Diese Tränen sind Ausdruck echter Menschlichkeit, nicht göttlicher Schwäche.
Die Heilige Schrift zeigt zugleich: Während Jesus weint, offenbart er göttliche Macht. Nach seinen Tränen ruft er den Toten Lazarus mit einem Befehl aus dem Grab (Joh 11,43). Seine Tränen beweisen also nicht Ohnmacht, sondern Mitgefühl, das göttliche Liebe sichtbar macht. Auch im Alten Testament wird Gott selbst als barmherzig und mitleidig beschrieben (Hos 11,8; Jes 63,9). Das heißt: Göttliche Liebe ist nicht kalte Distanz, sondern voll Erbarmen.
Die Kirchenväter betonen: Christus weint als Mensch, aber als Gott wirkt er Rettung. Gregor von Nazianz sagt: „Er weint als Mensch, doch er ruft Lazarus hervor als Gott“ (Oratio 29, ca. 380). Augustinus erklärt: „Tränen zeigten die Menschlichkeit, das Wunder die Gottheit“ (Tractatus in Ioannem 49,19).
Das Dogma der Inkarnation hält beides untrennbar zusammen: Der eine Herr ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Er hat nicht zum Schein geweint, sondern wirklich – und gerade dadurch wird offenbar, dass Gott uns nicht unbeteiligt von fern erlöst, sondern mitten in unserer Not teilnimmt.
Gegenargument der Gegenseite
„Weinen beweist Schwäche. Gott ist allmächtig und unberührt von menschlichen Regungen.“
Kurze Widerlegung
Es beweist keine Schwäche, sondern Menschwerdung. Jesus ist Gott, der unsere Natur annahm. Seine Tränen offenbaren, dass Gott nicht kalt über uns steht, sondern uns in wahrer Liebe nahekommt.